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BMW 1500: Die "Neue Mittelklasse" wird 50



01.04.2011   Autor: Oliver Kammern

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Sehen Sie hier das Video mit einem Werbespot von 1963.

Die Wartezeit lag bei etwa einer halben Stunde. So lange hieß es Schlange stehen, wenn man den Star der Internationalen Automobilausstellung 1961 in Frankfurt aus nächster Nähe sehen wollte. Oder gar besitzen, wenn es auch höchstens nur für eine bedrängte Minute war. "Alles was irgendwie auf dem weitläufigen Ausstellungsareal zu tun hatte, fühlte sich hingezogen zu dem Stand der Bayerischen Motoren Werke," beobachteten die Reporter einer großen deutschen Illustrierten, "genauer gesagt: Zu dem neuen BMW-Mittelklassewagen, der bis dahin geheime Werkssache war und nun auf dem BMW-Stand zum ersten Male besichtigt werden durfte."

BMW 1500 Serie
BMW 1500 Serie

In jungfräulichem Schneeweiß drehte sich einer der beiden Prototypen des neuen Mittelklasseautos aus München auf einem umzäunten Podest, ein paar Meter weiter stand der Zwilling zum Anfassen und Probesitzen. Wer einen Zuschauerplatz vor der kniehohen Absperrung ergatterte, konnte den Viertürer bei seinen Pirouetten bewundern. Im Telegrammstil informierte eine flache Tafel unter der vorderen Stoßstange über die Kenndaten modernster Technik: 4 Zylinder in Reihe, 75 PS bei 5500 U/min, 5 mal gelagerte Kurbelwelle, Oben liegende Nockenwelle, Federbeinachse vorn, schrägstehende Längslenker hinten, Scheibenbremse vorn, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, Gewicht (getankt) ca. 950 kg. Selbst das nebenan erstmals der Weltöffentlichkeit präsentierte, überaus elegante Achtzylinder-Coupé 3200 CS hatte dieser magischen Anziehungskraft des neuen Modells nichts entgegenzusetzen.
Im Handumdrehen avancierte der neue BMW nicht nur zum absoluten "Mittelklasse-Traumwagen" der rund 950.000 Besucher, die diese 40. IAA als neuen Rekordwert zählte und damit den Durchbruch zur Massenmotorisierung feierte.

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Die Fachpresse jubelte: "Er ist die Augenweide der Limousinenschau. Wir wollen aber hoffen, dass die schönste Serienlimousine zu dem angegebenen Preis auch eines Tages zu haben sein wird." 8.500 Deutsche Mark hatte BMW als voraussichtlichen Preis für den 1500 genannt - ein preiswertes, aber kein billiges Angebot. Es kam zur richtigen Zeit. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland, zunächst dem Hauptzielmarkt des BMW 1500, wuchs Anfang der 60er Jahre jährlich um rund zehn Prozent und lag 1961 bei 6.723 DM pro Jahr. Die Entwicklungsingenieure in München arbeiteten mit Hochdruck daran, den Zeitplan einzuhalten. Und der hieß: Markteinführung im Sommer 1962. Immerhin hatten schon auf der IAA die ersten Kunden Lieferverträge mit dem Termin "Zweite Hälfte 1962" unterschrieben. Vertriebsvorstand Paul Hahnemann versprach kurz nach der IAA: "Wir rechnen fest damit, dass wir im Juni nächsten Jahres die Null-Serie bauen. Im Juli soll dann die Produktion beginnen." Die Wartezeit war garniert mit Gerüchten. Im April 1962 war unter der drängenden Überschrift "Wann kommt der BMW 1500?" zu lesen, dass die Serienfertigung im August 1962 nach den Betriebsferien anlaufen solle und Pessimisten bereits mit einem Preisanstieg auf 10.000 Mark rechneten.

BMW 1500 Serie
BMW 1500 Serie

Anfang Juni 1962 waren die Vorbestellungen bereits auf rund 25000 angewachsen, da lud die BMW Presseabteilung Motorjournalisten aus dem In- und Ausland nach Rottach am Tegernsee ein, um die ersten Testfahrten mit dem 1500 zu ermöglichen: "Nun ist es soweit: die letzten Peilarbeiten an der konstruktiven Entwicklung sind abgeschlossen, die harten und ermüdenden Dauererprobungen haben auf Autobahnen und Landstraßen jeden Gütegrades die Überlegungen und Berechnungen der Konstrukteure bestätigt, und in Milbertshofen wuchs eine neue, hochmoderne Fertigungshalle in imponierender Stahlkonstruktion empor, die eigens für die Serienfertigung des BMW 1500 gebaut wurde.

Auf die Journalisten wartete der Stammvater der später sogenannten Neuen Klasse: Wilhelm Hofmeister, Chefstylist von BMW, hatte sich bei der Entwicklung des 1500-Designs von Giovanni Michelotti beraten lassen, der bereits beim 700 mitgearbeitet hatte. Dessen Entwurf arbeitete Hofmeisters Team fertig aus und so trug der Wagenkörper die modernen und schnörkellosen Linien von Michelotti, während die Kühlermaske aus der 507-Ära stammte. Als Großaktionär Herbert Quandt den fertigen Entwurf gesehen hatte, so wird erzählt, wollte er unbedingt die klassische BMW Doppelniere sehen. Die Designer bastelten in aller Schnelle eine passende Niere und platzierten sie in der Frontmitte. Niere und Horizontaleffekt der Kühlermaske kamen dadurch zusammen - ein neues BMW Gesicht entstand.

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Unter der Fronthaube arbeitete ein vollkommen neuer, unter der Regie des damaligen BMW "Motorenpapstes" Alexander von Falkenhausen entwickelter Vierzylinder-Reihenmotor mit 1,5 Litern Hubraum. Er war eine jener Komponenten, die seit der Weltpremiere der Prototypen auf der IAA noch spür- oder sichtbar verändert wurden: Statt wie ursprünglich angegeben 75 PS bei 5500/min leistete das Triebwerk jetzt 80 PS bei 5700/min, dank einer von 1:8,2 auf 1:8,8 erhöhten Verdichtung. Der Motor war ursprünglich auch für den Betrieb mit Normalbenzin vorgesehen gewesen, jetzt aber auf Superbenzin ausgelegt. Das reichte für eine Spitzengeschwindigkeit von 150 km/h aus, ein hervorragender Wert im Vergleich zur Konkurrenz. Gleiches galt für die Beschleunigung: Den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 absolvierte der neue BMW in sportlichen 16,8 Sekunden. Dank der strömungsgünstigen Form setzte die Karosserie dem Fahrtwind relativ wenig Widerstand entgegen und so konnte bei der damals vorgeschriebenen DIN-Verbrauchsmessung bei 110 km/h die Schallgrenze von zehn Litern um einen Zehntelliter unterboten werden. Den Straßenverbrauch gab BMW mit neun bis zehn Litern an. Der Tankinhalt von 53 Liter reichte damit für eine Strecke von über 500 Kilometern.

Der BMW 1500 zeigte auch bei sehr scharfer Kurvenfahrt und unterschiedlichen Besetzungsverhältnissen eine weitgehend neutrale Lenktendenz, neigte dadurch weder vorn noch hinten zum Ausbrechen. Diese Abstimmung wurde im Wesentlichen durch die Spreizung der vorderen Federbeine und die Anstellung der Hinterradschwingen in Zusammenklang mit den Federkennungen erreicht. "Die Begriffe Untersteuern und Übersteuern", zitierte ein großes deutsches Nachrichtenmagazin den BMW Direktor für Technische Verkaufsplanung Helmut Werner Bönsch, "verlieren bei diesem Wagen ihre Bedeutung. Seine Straßenlage ist kein Produkt des Zufalls, sondern eine exakt berechnete Sache. "Die BMW Konstrukteure", so schrieb das Blatt weiter, "seien auf Grund ihrer Forschung in der Lage, heute von den 168 Faktoren, die die Straßenlage eines Autos beeinflussen, rund 130 exakt zu ermitteln, zu berechnen und das Fahrverhalten eines Autos mithin im gewünschten Sinne zu beeinflussen." Eigens für den 1500 wurde eine neue Reifendimension entwickelt, der Niederquerschnitt-Reifen in der Größe 6.00-14. Rundschulter und breite Aufstandsfläche aber geringe Reifenhöhe gewährleisteten trotz weicher Reifenfederung hohe Seitenführungskräfte und damit hohe Stabilität in der Kurve.
BMW 1500 Serie
BMW 1500 Serie

Ein weiterer entscheidender Gewinn beim Übergang von der 13 Zoll- auf die 14 Zoll-Felge lag in der Möglichkeit, größere Bremsen unterzubringen. So wuchsen der Außendurchmesser der vorderen Festsattel-Scheibenbremse von 238 mm auf 268 mm und der Durchmesser der hinteren Trommelbremse von 230 mm auf 250 mm. Dem vorbildlich ausgenützten Innenraum entsprach der große, durch die niedrige Rückwand leicht beladbare und durch den völlig ebenen Boden vorbildlich ausnutzbare Kofferraum. Mit 600 Liter Fassungsvermögen konnte er drei normalgroße Koffer und zwei kleinere sowie weitere Taschen bequem aufnehmen. Zum Tanken musste der Kofferraum ebenfalls geöffnet werden, der Tankverschluss saß unter dem Heckdeckel auf dem rechten Kotflügel. Eine weitere Besonderheit war die Motorhaube: Um grundsätzlich auszuschließen, dass sie sich während der Fahrt öffnen konnte, war sie vorn angelenkt und stellte sich unter großem Aufstellwinkel selbsttätig fest.

Den ursprünglichen Preis für den neuen 1500 hatte BMW zwar nicht halten können, doch ganz so üppig wie von Pessimisten befürchtet fiel der Aufschlag dann doch nicht aus. 9485 DM schrieb das Unternehmen den Händlern vor, einschließlich "aller serienmäßigen Einbauten, ohne die das Auto nicht geliefert werden kann, wie Scheibenbremsen, Klimaanlage, Scheibenwaschanlage usw.," wie Vertriebsvorstand Paul G. Hahnemann bei der Pressevorstellung betonte. Mit dem 1500 hatte BMW endlich das fehlende Bindeglied zwischen Klein- und Großwagen im Programm. Hatte man bisher gespottet, BMW baue nur "Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner", sprach die neue Mittelklasse - wie beabsichtigt - einen neuen Kundenkreis an.









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